Oft heißt es, er sei außerhalb der deutschen Küche weitgehend unbekannt. Aber mehr als 50 Sprachen haben einen Begriff für Beifuß - von Arabisch über Gälisch bis Weißrussisch. Japans Küche kennt ihn als Gewürz für eine Süßspeise. Obwohl Beifuß ein eher schmuckloses Gewächs am Wiesen- und Wegesrand ist, wurde er schon in der Antike als Heilmittel genutzt.
Herkunft und Geschichte
Das Korbblütengewächs kommt wild in Asien, Europas und Nordamerika vor. Es wurde schon früh als Heilkraut genutzt. Um seinen Namen ranken sich viele Geschichten. Ein Büschel des Krauts, um die Füße gebunden, soll bereits den römischen Legionären die Fußmärsche erleichtert haben. Vermutlich ist das althochdeutsche Verb bößen („stoßen, schlagen") Ursprung des Namens: zerstoßen in einem Mörser. Seit der Antike war Beifuß als Arznei gegen Frauenleiden bekannt. Im Mittelalter riet die kräuterkundige Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) zu Beifußabsuden bei Verdauungsbeschwerden. Als Küchenkraut machte Beifuß erst spät Karriere. Selbst 19. Jahrhundert mit seiner Sonntagsbratenkultur taucht Beifuß in keinem bedeutenden deutschen Kochbuch in Verbindung mit fetten Braten auf. Erst im 20. Jahrhundert kam es als „Gänsekraut" für die Weihnachtsgans in Mode.
Qualität und Inhaltsstoffe
Wie bei den meisten Kräutern schwankt auch beim Beifuß die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe je nach Klima, Standort, Bodenverhältnissen und Erntezeit. In den Blattspitzen ist die Konzentration seines spezifischen ätherischen Öls vor der Blütezeit am höchsten. Beifuß enthält nur etwa 0,3 Prozent ätherisches Öl, unter anderem Kampfer, Thujon und Linalool. Doch diese Menge reicht aus für ein dezent mentholartiges, sogar leicht pfeffriges und anisartiges Aroma. Zusätzlich enthält er Bitterstoffe, weshalb er in der Frühen Neuzeit beim Bierbrauen schon als Ersatz für Hopfen verwendet wurde.
Verwendung in der Küche
Odo von Meung, französischer Mönch und Arzt, bezeichnete im 11. Jahrhundert den Beifuß als „Mutter aller Kräuter". Im 18. Jahrhundert war es in Mitteleuropa üblich, frische Beifußblätter - ähnlich wie Petersilie - großzügig über die Speisen zu streuen. Zu dieser Zeit entdeckte man, dass Beifuß die Fettverdauung unterstützt. So verwendete man ihn in Osteuropa bei fetten Speisen - für Karpfen, Makrele, Aal sowie Hammel- und Schweinebraten. In deutschen Rezeptbüchern des 19. Jahrhunderts findet man zu diesem Zweck eher Estragon, Thymian und Basilikum. Das leicht pfeffrige, mildbittere Aroma des Beifuß braucht Wärme und entfaltet sich erst während des Garprozesses. Im Handel gibt es Beifuß meist in getrockneter Form als Mischung aus den ungeöffneten Blütenknospen und Blattspitzen.
Gesundheitsfördernde Eigenschaften
In der Volksmedizin galt Beifuß jahrhundertelang als Aphrodisiakum und förderlich für die Fruchtbarkeit. Auch als Mittel gegen Insekten wie Mücken und Fliegen ist er bekannt. Die Traditionelle Chinesische Medizin nutzt ihn zur Malariatherapie, in Europa interessiert man sich vor allem für die verdauungsfördernden Eigenschaften. Die Gerb- und Bitterstoffe seines ätherischen Öls regen die Enzymproduktion im Magen-Darm-Bereich an, fördern den Gallenfluss und die Produktion von Magensäure. Daher bewährt sich Beifuß als Appetitanreger sowie bei leichter Übelkeit. Sein ätherisches Öl enthält antibakterielle und antimykotische Substanzen. Beifuß kann blutdrucksenkend wirken und Leberentzündungen vorbeugen.
Für bessere Bekömmlichkeit
In der deutschen Küche ist es Tradition, Ente und Gans mit Beifuß zu würzen: Das Fleisch wird einfach bekömmlicher. Weniger bekannt ist, dass sich das Kraut wegen seiner verdauungsfördernden Wirkung auch gut für Pilze, Hülsenfrüchte und herzhafte Gemüsegerichte (zum Beispiel mit Kohl) eignet. Auch wer Schweine- oder Gänseschmalz selbst herstellt, gibt ihm mit etwas Beifuß eine interessante Note. Ganz gleich, ob man Beifuß frisch oder getrocknet verwendet: Er muss immer mitgekocht werden, damit sich seine mildherbe Würze und verdauungsfördernde Kraft optimal entfalten können.