Meerrettich - ARMORACIA RUSTICANA

Meerrettich - ARMORACIA RUSTICANA

July 31, 2020Alfons Schuhbeck

Frischer Meerrettich ist eines der stärksten Gewürze - seine Schärfe kann es mit der von Chili und Pfeffer aufnehmen. Selbst Hartgesottenen treibt Meerrettich die Tränen in die Augen. Doch die tränentreibende Kraft nimmt man gern in Kauf. Meerrettich ist hocharomatisch, das merkt man schon beim Reiben. Und sein ätherisches Öl hat es in sich. Auch für die Gesundheit.

Herkunft und Geschichte

In einer steirischen Buschenschenke frisch geriebenen Meerrettich zu Selchwürsteln, Tafelspitz, Kärntner Osterschinken oder einem Schweinebratenbrot zu kosten, ist pures Vergnügen. Denn erstens: Nichts geht über frisch geriebenen Meerrettich. Zweitens: Österreicher können die Meerrettichschärfe als Genuss zelebrieren. Guter (also frisch geriebener) Meerrettich ist nicht bloß scharf. Er hat etwas Süßes, sogar leicht Blumiges an sich. Wenn er einem erstmal alle Tränen aus den Augen getrieben hat, fühlt sich der Kopf danach so klar an, als hätte man in kühler Morgenluft einen Berg bestiegen - man atmet durch. Die Heimat des Meerrettichs liegt vermutlich in Ost- und Südosteuropa, in Ländern, von denen manche später zur Donaumonarchie gehörten. Das österreichische Wort Kren leitet sich vom slawischen chreňu ab, der deutsche Name vermutlich von „Mährischer Rettich". Über seine Vorgeschichte weiß man nur wenig: Geriebener Meerrettich verlieh bereits im Mittelalter vielen deutschen Wurstspezialitäten den rechten Biss. Und hat vor allem in Franken eine lange Tradition. Dort wurde er auf Geheiß des Grafen Johannes Alchimista seit Mitte des 15. Jahrhunderts gezielt angebaut.

Qualität und Inhaltsstoffe

Ähnlich wie beim Knoblauch treten die Duft- und Geschmacksstoffe der Meerrettichwurzel erst zutage, wenn man ihre Zellen zerstört, sie also schält oder reibt. Meerrettich enthält Sinigrin, einen Stoff, der auch im Schwarzen Senf und Knoblauch vorkommt. Sobald das weiße Gewebe der Wurzel verletzt wird, geht das Sinigrin neue chemische Verbindungen ein. Dabei entsteht Senföl, dessen Duft- und Geschmacksmoleküle durch den Kontakt mit Luft freigesetzt werden. Den besten frischen Meerrettich hierzulande gibt es ab September/Oktober. Wenn das Kraut nach den ersten Frösten abstirbt, gewinnen die Aromastoffe in der Wurzel an Kraft und Schärfe.

Verwendung in der Küche

So heftig die Schärfe von geriebenem Meerrettich zunächst auch ausfällt - sie verflüchtigt sich recht schnell. Nach einer Viertelstunde an der Luft ist fast nichts mehr davon zu spüren. Mit etwas Säure hält sich die Schärfe länger. Deshalb sollte man frisch geriebenen Meerrettich mit Zitronensaft oder Essig beträufeln. Auch ein fein geriebener säuerlicher Apfel kann die Meerrettichschärfe konservieren. Apfelkren ist in Österreich eine klassische Beilage zu Tafelspitz. Frisch geriebener Meerrettich hat eine feine Räuchernote, passt gut zu geräuchertem oder gepökeltem Fleisch, Schinken, Würsten und Räucherfischen. Außerdem verfeinert er warme und kalte Saucen, gibt Kartoffelsalat und Roter Bete Raffinesse. Meerrettich harmoniert mit Dill, Schnittlauch und Senf.

Gesundheitsfördernde Eigenschaften

Eines der gesündesten Gewürze: In 100 g frischem Meerrettich stecken 700 bis 800 mg Kalium - ein Mineralstoff, der Herz und Nerven stärkt. Zudem ist Meerrettich reich an Magnesium, Kalzium, Phosphor und Eisen. Substanzen aus dem ätherischen Öl werden für Erkältungsmittel verwendet. Das enthaltene Senföl wirkt antiseptisch und entzündungslindernd. Meerrettich gilt als Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte.

Mein Tipp - Die „bayerische Zitrone"

In Süddeutschland nennt man Meerrettich die „bayerische Zitrone", weil er viel Vitamin C enthält. Hitze treibt ihm seine Schärfe und den Geschmack aus, für warme Saucen empfiehlt sich Meerrettich aus dem Glas. Weil er sich bei Kontakt mit Sauerstoff verfärbt, schäle ich frischen Meerrettich erst kurz vor Gebrauch und reibe ihn auf der Zestenreibe über das fertige Gericht. Tipp: ein Pesto aus Basilikum- und Spinatblättern mit Mandeln, Parmesan und 1 EL Sahnemeerrettich.

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